...Das Schöne an der ehrenamtlichen Arbeit ist, dass man von den täglichen Erlebnissen sehr erfüllt ist und gar keine Zeit hat, irgendwelche Leiden zu haben. Nach meinen persönlichen langjährigen Erfahrungen in der ehrenamtlichen Arbeit ist jeder Tag so ausgefüllt, daß ich gar nicht mehr weiß, wie ich früher noch meinen anspruchsvollen Beruf ausführen konnte. Das bereichert das Zusammenleben sehr..."
Maria von Pawelsz-Wolf
Zum Projekt "Mit Angeln helfen Fische zu fangen"
Während seines 30-jährigen Bestehens hat der Verein unter der Ägide der agilen Spiritus RectorIn Maria von Pawelsz-Wolf seine Projekte vorausschauend entwickelt. Standen bei der Gründung im Juli 1993 zunächst humanitäre Projekte im Vordergrund, fing der Verein schon bald an Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten - "die Angeln zu bringen, mit denen die Menschen in Kamenez-Podolski lernen selbst Fische zu fangen".
Myroslaw Moschak beispielsweise hat sich mit der ersten Druckmaschine, die der Verein ihm besorgte, selbständig gemacht. Inzwischen besitzt er ein eigenes Haus mit 40 Arbeitsplätzen. Auch die Schusterwerkstätten, die Schneidereien, der Friseursalon "Pani Maria" haben die Startschwierigkeiten trotz vieler Probleme gemeistert. Neue Projekte sind auf dem Weg: ein Waschsalon für den Verein der Kinderreichen und weitere Arztpraxen.
Besonders stolz sind die Menschen in Kamenez-Podolski auf den beruflichen Erfolg der jungen Ukrainerinnen (hier berichten die Schüler deren Erfahrungen nach dem Besuch der BFS), die in Wiesbaden Deutsch gelernt und die Höhere Handelsschule bzw. Schulze-Delitsch-Schule - Berufsfachschule für Wirtschaft - abgeschlossen haben und heute bei deutschen Firmen in der Ukraine beschäftigt sind. Immer mehr junge Frauen und selbst Männer wollen ihrem Beispiel folgen. Ganz oben auf der Prioritätenliste des Partnerschaftsvereins steht daher die Suche nach Gasteltern in Wiesbaden, die junge Menschen als au pair aufnehmen. Neu ist eine vertragliche Vereinbarung, die das Au-Pair-Verhältnis - die Rechte und Pflichten - im beiderseitigen Interesse regelt. Maria von Pawelsz-Wolf ist zuversichtlich, dass sie im Mai, wenn sie nach Kamenez-Podolski fährt, ihren Freunden schon von Erfolgen berichten kann. Der eigentliche Grund ihrer Reise ist allerdings das "Fest der internationalen Kulturen", zu dem sie vom dortigen Oberbürgermeister persönlich eingeladen wurde.
Der Partnerschaftsverein hat das Leben in Kamenez-Podolski nachhaltig verändert; er macht Menschen Mut, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Glück, Hoffnung und Vertrauen verdrängen zunehmend Verzweiflung und Mutlosigkeit. Das spiegelt sich auch in den Gesichtern der Menschen, die die Wiesbadener Fotografin Charlotte Knuth bei ihrem Besuch in Kamenz-Podolski eingefangen hat. Ihre Fotografien sind Teil der Ausstellung, mit der sich der Verein im Jubiläumsjahr seinen Sponsoren, den vielen ehrenamtlich tätigen Mitgliedern und der interessierten Öffentlichkeit im Heimatmuseum Schierstein präsentiert.
Auswirkungen unserer Hilfsarbeit auf junge Menschen in Deutschland
Überraschungsbrief im Postfach
© Text: Maria von Pawelsz-Wolf, April 2003
Vor einigen Jahren kam eine Schülerin aus einer Steuerklasse auf mich zu und erzählte mir, dass sie an einem Wettbewerb teilnehmen wolle, der von Bundespräsident Herzog ausgeschrieben sei. Es ging dabei um die Darstellung sozialer Projekte. Die Schülerin war aus Brandenburg nach Wiesbaden gekommen, um eine Lehre bei einem Steuerberater zu machen, weil es in ihrer Heimat keine Lehrstellen gab. Sie fragte mich, ob sie mich zu der Arbeit für die Stadt Kamenez-Podolski interviewen dürfte. Natürlich stand ich ihr gern Rede und Antwort. Mit dem Titel "Pani Maria" verfaßte sie eine bebilderte Dokumentation über die Stadt Kamenez-Podolski, die Arbeit unseres Vereins und ihre Meinung dazu und schickte sie am 27. Februar 1997 an das Bundespräsidialamt. Nach zwei Monaten kam sie strahlend auf mich zu und erklärte mir ganz stolz, sie hätte einen großen Buchpreis für ihre Arbeit gewonnen.
Vor einem Jahr fand ich eine E-Mail mit dem Titel "Kennen Sie mich noch?" in meiner Mailbox vor. Zuerst konnte ich mit dem Namen nicht viel anfangen, aber als ich den Brief las, sah ich meine Versicherungsklasse von 1995 wieder vor mir. Meine ehemalige Schülerin Danny schrieb mir, dass sie damals mitgeholfen hatte, eine ganze Bäckerei im Rheingau auszubauen, um sie in einem Hilfstransport nach Kamenez-Podolski zu verladen. Während ihrer 2-jährigen Ausbildungszeit hatte sie mehrfach mit der ganzen Klasse dabei geholfen, Sattelschlepper zu beladen. Daran erinnerte sie sich sehr gut. Jetzt wollte sie eine Umschulung machen, um nicht mehr als Versicherungskauffrau zu arbeiten. Bei ihrer neuen Ausbildung zur Ergo-Therapeutin musste sie ein Referat über eine soziale Arbeit erstellen. Dabei entsann sie sich der Hilfsarbeit von 1995 und fragte nach, ob es den Verein noch gäbe. Ich habe ihr sofort geantwortet und sie mit den letzten Dokumentationen versorgt. Von Charlotte Knuth, unserer Fotografin bekam sie Fotos, um ihre Arbeit zu illustrieren. Nachdem sie ihr Referat gehalten hatte, schrieb sie mir, dass sie 99 Punkte für ihr Referat bekommen habe und daß nun auch KlassenkameradInnen ihrer neuen Ausbildungsarbeit gern mithelfen wollten.
Es macht Freude zu erleben, dass diese soziale Arbeit durchaus eine dauerhafte Wirkung auf die SchülerInnen hat. Sie haben nicht nur das notwendige Fachwissen für ihre spätere Berufslaufbahn mit auf den Lebensweg genommen, sondern sind auch für ein soziales Engagement aufgeschlossen worden.
Zukunftsvision
© Text: Maria von Pawelsz-Wolf, 27.Oktober 2000
© Bild: Charlotte Knuth
Seitdem ich die sehr alte und früher an der Handelsstrasse liegende, bedeutende Stadt Kamenez-Podolski / Ukraine kennen gelernt habe und immer wieder zu Besuchen und Kontrollen, ob unsere Spenden in unserem Sinne (u.a. als Hilfe zur Selbsthilfe) verwendet wurden, dort gewesen bin, habe ich die Vision, diese trotz aller Zerstörungen noch immer wunderschöne Stadt wieder zu dem zu machen, was sie einmal war.
Zu dieser Vision gehören aber ganz praktische Aktivitäten wie der Bau von Hotels, die Neubelebung der früher vorhandenen Industrie und die Ermutigung der Menschen, die viel Leid erfahren haben. Der Bürgermeister Mazurtschak, der mich mit dem auf einstimmigen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung mit dem erst zum dritten Mal verliehenen städtischen Orden für die langjährige Hilfsarbeit ausgezeichnet hat, hat in seinem letzten Gespräch mit uns deutlich gemacht, dass er dringend Investoren sucht, denen er gute Bedingungen, wie 100%igen Erwerb von Eigentum bzw., wenn denkmalgeschützte Häuser wieder aufgebaut werden, 10jährige Mietfreiheit garantiert, und jede Hilfe in der Verwaltung anbietet. Mit dem Denkmalschützer habe ich auch schon gesprochen: er wird einem Innenausbau der geschützten Häuser keine Schwierigkeiten machen. In der Stadt gibt es viele gute Arbeitskräfte, die früher in der Industrie die Kleinstteile für die Raketen hergestellt haben. Die deutsche Firma Prettl/Pfullingen hat bereits mit amerikanischer finanzieller Unterstützung ein Kabelwerk aufgebaut, in dem Kabelbäume für VW und Bosch hergestellt werden. Es gab eine Firma, die medizinische Geräte wie Herzkatheter herstellte. Dort könnte man sicher wieder ein entsprechendes Werk aufbauen. So gibt es eine ganze Menge an Möglichkeiten, die mit deutschem Know-how wieder aktiviert werden könnten.
Neben diesen grösseren Unternehmen bemühe ich mich, Kleinbetriebe zu installieren. Ich versuche, abgeschriebene Maschinen in Deutschland zu finden, die dann dorthin gebracht werden, um Menschen, die früher im Schatten gestanden haben, eine Lebensgrundlage zu geben. Mein Problem ist leider immer wieder, die Gelder für die Transporte zu finden. Dazu muss ich immer von neuem auf Betteltouren gehen. Für die bedürftigen Menschen unterstützen wir den in Kamenez-Podolski gegründeten Freundschaftsverein Kamjanez-Podilskij-Wiesbaden. Wir arbeiten mit den Vereinsmitgliedern zusammen, die uns durch Listen mit Unterschriften der Empfänger garantieren, dass unsere Spenden wirklich zu den Armen kommen. Mit unserer Hilfe wird in der Altstadt eine Kaffeestube aufgebaut, in der das Essen für die Armen gekocht wird. Wir möchten gern, dass die Kaffeestube immer geöffnet ist, damit sie zu einem Begegnungsort auch für Touristen wird. Dazu muss aber die Frage der Heizung und der Stromversorgung zufriedenstellend gelöst werden. Ausserdem muss eine hauptamtliche Person dort die Woche über arbeiten.
Mir schwebt ausserdem vor, eine Beratungsstelle für Frauen aufzumachen, die sich gern selbständig machen möchten. Dazu werden auch Kreditmöglichkeiten gesucht, denn die offiziellen Kredite sind unerschwinglich. So hat uns eine bereits in einem Kleinbetrieb arbeitende Schneiderin um 6.000,-DM Kredit gebeten, damit sie eine richtige Werkstatt einrichten kann. In unserem Vereinsbudget sind dafür keine Gelder vorgesehen, aber es scheint mir wichtig, über einen Weg nachzudenken.
Die Ausbildung der jungen Frauen, die bereits ein Jahr Au-Pair-Zeit in Deutschland hinter sich haben und dann die Chance bekommen, in Wiesbaden die zweijährige Berufsfachschule mit dem Examen als "staatlich geprüfte Betriebswirtschaftsassistenten" zu besuchen, würde ich gern insofern auf solidere Füsse stellen, als eine Stiftung für die Finanzierung ihres Lebensunterhaltes in diesen zwei Jahren gegründet wird. Sie können sich dann ganz der Schule und dem Erlernen von Englisch widmen. Mit dieser Grundlage und ihrem in der Heimat bereits abgeschlossenen Germanistikstudium haben sie gute Chancen, eine Anstellung in der Ukraine – wenn möglich auch bei deutschen Firmen - zu finden. Mit diesen gut ausgebildeten und engagierten Menschen kann der Aufbau in der Ukraine sinnvoll unterstützt werden.
Durch die langjährige Beschäftigung mit dem Aufbau von Kamenez-Podolski kommen immer wieder neue Gedanken, wie geholfen werden kann. Leider fehlt mir nur das genügende Geld, um alles durchzuführen. Ich benötige sehr viel Zeit, um irgendwelche Finanzierungsquellen zu erschliessen. Manchmal bin ich vom ewigen Betteln so müde, dass ich alles fallen lassen möchte.... Aber irgendwie hilft der liebe Gott: ich treffe immer wieder Menschen, die in meinem Engagement eine Möglichkeit sehen, auch in der Provinz etwas zu tun und den Menschen dort eine Zukunft zu geben. Mit aller Unterstützung möchte ich gern erreichen, dass von der positiven Entwicklung von Kamenez-Podolski ein Zeichen ausgeht, dass es lohnt, sich anzustrengen und die eigene Heimat aufzubauen. "Mut machen durch Unterstützung" - ist die Devise!